Hand Distribution Model - Big Stack gegen Middle Stack

Big Stack Poker beim Sit & Go kurz vor Erreichen des Preisgelds (Bubble)

Kurz vor Erreichen des Preisgelds eines 30+3$ Sit & Gos (10 Spieler). Die Preisverteilung sieht wie folgt aus:

  • Sieger: 150$, Zweiter 90$, Dritter 60$
  • Spieler A: 800 Chips
  • Spieler B (Du): 7’900 Chips
  • Spieler C: 3’400 Chips (Small Blind)
  • Spieler D: 2’900 Chips (Big Blind)
  • Blinds: 500/250 (obige Chipstände sind die Chipstände, bevor die Blinds gepostet wurden)

Spieler A foldet und muss in der nächste Hand den Big Blind zahlen, wird dann fast zwangsläufig All-In gehen müssen, da er in der Hand danach nur noch 300 Chips hat und 250 als Small Blind bezahlen muss. Spieler C und D wissen, dass Spieler A nächste Hand mit einer beliebigen Hand All-In gehen muss. Sie kennen die Prinzipien des Independent Chip Models einigermassen. Du gehst davon aus, dass beide ein All-In von dir nur dann callen, wenn sie AA, KK oder QQ haben (Hand Range: AA bis QQ). Welches Startblatt brauchst du mindestens, um profitabel All-In pushen zu können?

Wenn du foldest, kannst du davon ausgehen, dass Spieler C All-In geht oder foldet. Für die Berechnung gehen wir davon aus, dass nicht beide All-In gehen werden. Der Einfachheit halber gehen wir davon aus, dass Spieler C auf dem Small Blind foldet und somit Spieler D 250 Chips mehr hat. Somit haben Spieler C und D nach der Hand je 3’150 Chips.
Mit dem ICM Rechner berechnen wir, dass dein erwarteter Gewinnwert beim Folden nun 115.18$ entspricht. Das Berechnen des erwarteten Gewinnwerts wird im Independent Chip Model Artikel erklärt.

Wie gehen wir dieses Problem an? Wenn du All-In pushst gibt es drei mögliche Ergebnisse.

  • Situation 1: Spieler C und D folden
    Dein erwarteter Gewinn steigt auf 119.70$ (dieser zusätzliche Gewinn ist die so oft gehörte Folding Equity!)
  • Situation 2: Spieler C oder D callen
    Wir gehen davon aus, dass nie beide callen. Im Buch Killer Poker by the Numbers erläutert der Autor Guerrera, dass dies für solche Berechnungen kaum zu berücksichtigen ist, da es weniger als 1% Berechnungsunterschied macht.
  • Situation 2a: Du wirst gecalled und gewinnst!
    Dein erwarteter Gewinn steigt auf 135.02$ (Durchschnittlicher erwarteter Gewinn bei Sieg Call Spieler C und D)
  • Situation 2b: Du wirst gecalled und verlierst!
    Dein erwarteter Gewinn sinkt auf 103.80$

Um die Berechnung etwas zu vereinfachen, gehen wir davon aus, dass dich zu 50% Spieler C und zu 50% spieler D callen wird.

Wie oft trifft welches Ereignis ein?

AA, KK und QQ sind 18 Startkombinationen. Insgesamt gibt es 1’326 Starthände. Wir gehen davon aus, dass du keine hohen Karten hast, somit sind, da du weder AKQ hast, somit bleiben 1’225 Starthände für deine Gegner. 18 von 1225 Händen sind 1.47% der Hände. Es ist einfacher die Gegenwahrscheinlichkeit zu berechnen. In 98.53% der Fälle callt dich ein einzelner Gegner nicht, da wir zwei haben, multiplizieren wir 0.9853 x 0.9853, welches 97.08% ergibt.

Somit können wir folgende Aussage machen:
In 97.08% der Fälle steigt der erwarteter Gewinn auf 119.70$. Gewichtet gibt dies 119.70$ * 97.08% = 116.20$

Nun, beim Folden ist dein erwarteter Gewinn 115.18$, beim All-In pushen mindestens 116.20$. Somit müssen wir die letzten Cents, die bei einem Call dazu kommen würden, nicht ausrechnen. Das heisst, egal welche zwei Karten du hast, du musst All-In gehen, denn es ist in dieser Situation profitabel!

Das Prinzip der Berechnungen dürfte klar sein. Nun eine Übungsaufgabe: Wenn deine Gegner dich mit AA bis 99 und mit AK und AQs callen, welche Hand musst du nun haben, um profitabel All-In zu pushen? Es lohnt sich, hier einige Situationen durchzuspielen, um in solchen Situationen die korrekte Entscheidung zu treffen. Es geht hier um viel Erfahrung, am Tisch hast du nicht die Zeit, um alles nachzurechnen!

Noch eine Info, wenn du zwei Hände nacheinander All-In pushst, werden sich die Anforderungen deiner Gegner senken, um dich zu callen. Es ist daher immens wichtig zu wissen, wie dich deine Gegner einschätzen (Image ist alles)!

Middle Stack Poker am Bubble gegen den Big Stack Maniac

Leider sind wir nicht immer der Big Stack am Pokertisch, sondern sind ein Medium Stack am Bubble und sind mit einem Big Stack Gegner konfrontiert, der gnadenlos jede Hand, wenn die beiden Medium Stacks hinter ihm sind, All-In pusht. Wir nehmen dasselbe Beispiel wie oben. Du bist diesmal Spieler D auf dem Big Blind. Du nimmst an, dass Spieler B mit jeder X-beliebigen Hand All-In pusht und das auch tut. Mit welcher Hand Range (welche Startblätter) kannst du das All-In profitabel callen?

Auch hier müssen wir den erwarteten Wert der verschiedenen Situationen berechnen:

Wenn du foldest, hast Du noch 2’400 Chips und dein erwarteter Gewinn liegt neu bei 71.09$. Damit ein Call profitabel ist, muss dein erwarteter Gewinn oberhalb dieses Werts liegen.

Bei einem Call gibt es nun zwei Möglichkeiten:

  • Möglichkeit 1: Du callst und gewinnst, dein erwarteter Gewinn steigt auf 103.25$
  • Möglichkeit 2: Du callst und verlierst, dein erwarteter Gewinn sinkt auf Null!

Welche Equity musst du bei einem Call haben, um die geforderten 71.09$ zu erreichen? Ganz einfach: 71.09$ / 103.25$ = .6885. In Prozent ausgedrückt: 68.85%. Du solltest also nur einer Starthand, die gegen eine durchschnittliche Starthand eine Equity von 68.85% oder besser hat, callen, um diesen Call langfristig profitabel zu machen. Mit unserer Excel-Liste (Heads-Up Siegeswahrscheinlichkeit gegen eine zufällige Starthand) ist dies relativ einfach zu ermitteln. Achtung, in der Excel-Liste ist nicht die Equity, sondern die Siegeswahrscheinlichkeit angegeben! Mit zusätzlicher Hilfe von Pokerstove können wir den Wert ganz genau ermitteln und kommen auf folgende Hand Range (Starthände): Alle Pocket Pairs 88 und höher! AKs ist die stärkste Heads-Up Hand, welche es nicht in die Liste geschafft hat! Überrascht? Es ist in dieser Situation angebracht AKs zu folden, obwohl du weisst, dass dein Gegner mit jedem Müll erhöht! Dieses Konzept zu verstehen ist für jeden Sit & Go Spieler absolut entscheidend! Das Schöne ist, dass auf dem 20+2$ Level mindestens 50% der Spieler sich dies nicht bewusst sind. Man sieht wirklich die haarsträubendsten Fehler, was Sit & Gos für gute Spieler sehr profitabel macht.

Jetzt eine Anregung fürs Weiterdenken:

Wenn dein Gegner weiss, dass du bis 88 callen willst, wird er immer noch alle Hände pushen? Wenn nein, mit welchen Händen wirst Du auf seine Anpassung ein All-In callen? Jetzt beginnt das typische ‹Schwanzbeisser› Spielchen beim Pokern. ‹Wenn er weiss, dass ich weiss, dass er weiss, das ich weiss, dass… dann… hmm…›

Ein Leser hat uns zu ähnlichen Themen geschrieben: Dieses Konzept funktioniere nur für Turniere ab 10 + 1$ Buy-In.

Stimmt nicht!

Es kann sein, dass bei einem niedrigen Buy-In Sit & Go die Spieler zu viel callen, weil sie das ICM nicht kennen. Dass sollte aber dazu führen, dass Du deine Spielweise anpasst und nicht mit jedem Müll All-In pushst, sondern deine Hände besser auswählst, um möglichst mit jeder Hand Entscheidungen zu treffen, die einen positiven Erwartungswert nach sich ziehen. Bei kleinen Buy-Ins geht es bei den Entscheidungen oft nur um einige Cents, statt um einige Dollar, die Konzepte sind die gleichen.